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Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd

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24.09.2018

Pressemitteilung der Bauinnung Westfalen-Süd

Siegen-Olpe-Wittgenstein. In der Politik mehren sich die Stimmen, in bestimmten Handwerksberufen, allen voran bei den Fliesenlegern, den Meisterbrief wieder zur Voraussetzung für eine Selbstständigkeit zu machen. Stephan Hundhausen, der Obermeister der Bau-Innung Westfalen-Süd, sieht darin sowohl einen Schritt zum Verbraucherschutz als auch die Chance, wieder mehr jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu bieten. Er appelliert daher an die Politiker im Bund wie im Land, die Handwerksordnung tatsächlich entsprechend auf die Wiedereinführung der Meisterpflicht zu ändern.Seit knapp 15 Jahren kann in einer Vielzahl von handwerklichen Berufen jeder einen Betrieb eröffnen, der sich dies zutraut. Damit hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung für mehr Wettbewerb sorgen und die seinerzeit sehr hohe Arbeitslosigkeit senken wollen. Eine der 2004 liberalisierten Handwerksbranchen ist die der Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. Sie hatten sich schon im Vorfeld vehement gegen die Gesetzesnovelle gewehrt und argumentieren seitdem unverändert dagegen. Auch der stellvertretende Obermeister der Innung, Fliesenlegermeister Ralph Werthebach sowie Fachgruppenleiter der Bezirksfachgruppe Fliesen Südwestfalen Michael Bär,  sieht sich in den Bedenken gegen den Verzicht auf den Meisterbrief als Eingangsvoraussetzung und als Nachweis der Fachkunde voll und ganz bestätigt: Die Zahl der Betriebe im Innungsbezirk habe sich zwar deutlich erhöht, von 56 vor 2004 auf heute 222. Es handele sich dabei aber ganz überwiegend um Kleinstfirmen, die meist nur eine geringe Lebensdauer haben und nach wenigen Jahren vom Markt verschwunden sind. Für die Kunden bedeute dies dann, dass sie keinen Ansprechpartner mehr finden, wenn sie Reklamationen haben und Nachbesserungen wollen. „Leider lassen sich zahlreiche private Bauherren vom niedrigen Preis verleiten.

Und die öffentliche Hand vergibt ihre Aufträge meistens auch nur an den billigsten, nicht aber an den wirtschaftlichsten Anbieter, wie es eigentlich sein sollte“, beschreibt Ralph Werthebach die Misere, in die die Fachunternehmen geraten sind. Viele Kollegenfirmen hätten ihre Belegschaften erheblich reduzieren müssen. „Es gibt eine große Zahl von Betrieben, die zwar zunächst preiswert, aber nur gering qualifiziert sind und deswegen Anlass zu Klagen bieten. Gerade das Zusammenspiel des jeweiligen Untergrunds mit Abdichtung, Kleber und den Fliesen oder Platten ist hochkompliziert. Dem sind diese Anbieter meist nicht gewachsen. A
m Ende werden wir gerufen, um die Arbeiten zu Ende zu führen oder um Schäden zu beheben. Unterm Strich ist das ganze Projekt für die Kunden dann in der Regel teurer, als wenn sie gleich einen Fachbetrieb beschäftigt hätten.“ Der stellvertretende Obermeister empfiehlt daher dringend, vor einem Auftrag zunächst Referenzen einzuholen und diese zu prüfen sowie bei der Kreishandwerkerschaft nachzufragen.

Die Entwicklung bei den Betriebszahlen in der Innung läuft parallel zu der im gesamten Bundesgebiet: 2004 gab es in Deutschland 25.000 selbstständige Meister, 2016 waren schon fast 70.000 Betriebe eingetragen, jedoch von denen nur wenige die Meisterqualifikation hatten. Hinzu kommen noch einmal viele Tausend, die Fliesenarbeiten auch „im Programm“ haben, aber zum Beispiel als Trockenbauer, „Hausmeisterdienste“ oder Garten- und Landschaftsbauer registriert sind und die sich oftmals fachtheoretisch nicht mit dem Regelwerk, den DIN-Normen Vorschriften auseinandersetzen und auch keinerlei Weiterbildungen besuchen. Dies hat für die Verbraucher und auch für die Meisterbetriebe schwerwiegende Folgen. In der heutigen Zeit sollte die Nachhaltigkeit auf jeden Fall im Vordergrund stehen.

Genau gegenläufig ist die Tendenz bei den Lehrstellen: 2004 wurden mehr als 3.000 junge Leute in diesem Beruf ausgebildet, aktuell sind es bei der fast verdreifachten Betriebszahl nur noch knapp 2.000. Auch diese Entwicklung macht der Bauinnung Westfalen-Süd größte Sorgen: „Die vielen Solo-Selbstständigen denken gar nicht erst daran, einen Lehrling zu beschäftigen. Wer aber soll die Arbeit in Zukunft erledigen? Und wer bietet einem Schulabgänger oder einer Schulabgängerin die Chance, einen interessanten und vielfältigen Beruf von der Pike auf zu lernen und so für den Lebensunterhalt zu sorgen?“, fragt Ralph Werthebach.

Beide Punkte, Verbraucherschutz und die Ausbildungsleistung der von Meistern geführten Betriebe, führt er als die Argumente dafür an, „den Fehler der Novelle der Handwerksordnung jetzt möglichst schnell zu korrigieren“. Diese Position wird mittlerweile nicht nur von Politikern der Regierungsparteien, sondern überdies auch von der Baugewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt geteilt. Fliesenlegermeister Werthebach und Bär, hoffen dringend, dass entweder sie oder Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier den Schritt zur neuerlichen Gesetzesänderung bald tun, damit sie noch in dieser Legislaturperiode Realität wird. Die Absichtserklärung dazu steht zumindest im Koalitionsvertrag der beiden Fraktionen. „Wir haben so lange darum gekämpft, obwohl man uns zunächst keinerlei Chancen gegeben hat. Jetzt sehen wir die Tür einen deutlichen Spalt offen“, ist Obermeister Stephan Hundhausen vorsichtig optimistisch. Aufgeben wollen er und seine Innungskollegen auf keinen Fall. „Der Markt braucht diesen Qualifikationsnachweis.“